Donnerstag, 12. April
Früh wurde ich wieder wach an diesem Morgen, dieses Mal aber nicht von den Vögeln, sondern vom Schneeregen der ans Fenster prasselte. Beim Gedanken an die geplante Wildniswanderung, war ich doch etwas beunruhigt. Als wir dann alle beim Frühstück saßen und die Betreuer der verschiedenen Themengruppen kamen, gab’s auch keine Entwarnung: Unabhängig vom Thema würden alle rausgehen – echte Wildnis eben ;-).
Gibt’s in Deutschland Platz für echte Wildnis?
Unsere Gruppe traf sich zuerst im Sammellager für eine kleine Einführung. Dort erklärten uns unsere Betreuer dann auch, dass für später besseres Wetter angesagt sei und der Regen sicher bald aufhören würde. Dann kamen wir zu unserem Thema: Wildnis. Was ist für uns Wildnis? Wo haben wir diese erlebt? Jeder stellte sich vor, erklärte seine Idee von Wildnis und was man vom dazugehörigen Workshop erwartete. Nach dieser interessanten Runde besprachen wir auch noch ein paar rechtliche Dinge – so muss der Nationalpark zum Beispiel auf ausgewiesenen Wanderwegen darauf achten, dass für Besucher durch herabstürzende Bäume keine Gefahr entsteht, auch wenn Wildnis eigentlich heißt, den Wald so zu lassen wie er ist. Nach den ersten Gedanken dazu fing aber der Hauptteil an: Eine Wildniswanderung kombiniert mit Diskussionen zu verschiedenen Themen. Passend dazu war aus dem Schneeregen ein leichtes Tröpfeln geworden, das aber auch bald vorbei war.
Und so wanderten wir querfeldein durch den Nationalpark, also ganz ohne Wanderweg. Dabei blieben wir immer wieder stehen und besprachen verschiedene Dinge in Bezug zu unserem Thema. Was ist eigentlich Urwald und was Wildnis? Wir kamen auf sehr unterschiedliche Ergebnisse, gerade weil Wildnis für jeden ganz was anderes bedeutet. Ist ein kleiner grüner Fleck in der Stadt, der unberührt ist, auch schon Wildnis? Oder braucht Wildnis eine gewisse Ausdehnung? Gibt es in Deutschland noch einen Urwald? Was würde diesen auszeichnen? Was fällt im Bayerischen Wald auf, was bei normalem Forst nicht zu sehen ist?
Dazu gehört das viele Holz, das auf dem Boden liegt und die vielfältige Flora und Fauna, alles ist etwas ungeordneter im Vergleich zu Wald, den man normalerweise kennt. Wir entdeckten auch Laich auf unserem Weg. Das war schon etwas Besonderes. Auch wenn es etwas ganz Natürliches ist, was man eigentlich überall finden könnte, sieht man das so mitten auf dem Weg nur sehr selten.
Wir lernten auch, was das Besondere an der naturbelassenen Landschaft ist. Wir entdeckten Pilze, die es nur im Bayerischen Wald gibt, sahen hin und wieder auch mal andere Bäume zwischen den vielen Fichten, erkannten, dass sich die Natur langsam wieder erholte. Erst seit 1997 ist dieser Teil des Bayerischen Waldes Teil des Nationalparks. Und trotz der kurzen Zeit erkennt man, dass das Bild nun nicht mehr von der Forstwirtschaft bestimmt wird.
Wir sprachen auch über den Borkenkäfer, der im Bayerischen Wald ein großes Thema ist. Der Nationalpark sagt, dass man ihn lassen soll, die Waldbesitzer drum herum das Gegenteil. Auch in der Politik gibt es verschiedene Meinungen und viele Anwohner halten die Einstellung des Nationalparks für schlecht. Daher müssen teilweise auch im geschützten Gebiet Bäume entrindet werden, um die Ausbreitung des Borkenkäfers einzuschränken.
Ein weiteres Thema waren Wildnisangebote. Was kennen wir? Was sind Wildnisschulen? Wie kommen Leute in die Wildnis? Ist es eine gute Idee, Schulklassen ein paar Tage in der Wildnis leben zu lassen, nur mit Schlafsack und Co.? Auch darüber diskutierten wir, während wir wieder an einer schönen Stelle Rast machten.
Neben den Wildnisthemen erklärten uns Lukas und Pavel aber auch viel zur Natur, zu den Bäumen, den Pilzen, den Tieren und Pflanzen. Es gibt so viel zu entdecken! Immer wieder überquerten wir Bäche, kamen an besonderen Bäumen und Felsen vorbei, fanden immer wieder etwas Neues.
Unsere letzte Aufgabe war, uns zu überlegen, wie man Wildnis den Menschen näher bringen kann. Was kann man mit den Leuten machen, damit sie die Wildnis kennen lernen? Wir kamen auf Ideen wie Dämmerungswanderungen, Sinneswanderungen, spirituelle Programme im Wald und Nächte in der freien Wildnis.
Auf dem weiteren Weg diskutierten wir die Ideen, beratschlagten, wie man das am besten umsetzen könnte und hatten dabei richtig Freude. Die Natur um uns inspirierte und durch die lockere Atmosphäre fiel es besonders leicht, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
Als wir wieder zum Wildniscamp kamen, setzten wir uns nochmal zusammen und sprachen über den Tag. Wir waren uns alle einig, dass die Idee, Wanderung und Diskussion zu verbinden, genial war. Zwischen den verschiedenen Pausen hatte man genug Zeit, um sich über die zuvor besprochenen Dinge zu unterhalten und nachzudenken. Trotzdem haben wir keine richtige Antwort auf unsere Frage. Denn unberührte Natur gibt’s in Deutschland nicht mehr – kann trotzdem wieder Wildnis entstehen? Wir wissen es nicht und da Wildnis für jeden etwas anderes bedeutet, muss das wohl jeder für sich selbst entscheiden.
Berichte ehemaliger Praktikanten für die Umwelt
Nach einem wieder sehr leckeren Abendessen (einer köstlichen Reispfanne) gab’s Vorträge von ehemaligen Praktikanten. Und die waren an allen möglichen Orten, auf einer Hallig im Wattenmeer genauso wie im Naturpark Bayerischer Wald. Für uns war es sehr spannend zu hören, was die drei erlebt hatten. Dazu war’s für mich auch sehr interessant, da auch ein Mädchen dabei war, das gar keinen ökologischen Hintergrund hatte. Viele, die das Umweltpraktikum machen, haben auch ein Studium mit entsprechendem Hintergrund, aber wie auch in meinem Fall nicht immer. Und so ging der Abend mit interessanten Gesprächen zu Ende. Und danach fiel ich wieder müde und glücklich in mein Heubett.
Liebe Grüße,
Sabine 🙂